Berufliches Entwicklungscoaching – Mobbing

Leider ist Mobbing am Arbeitsplatz oder in Schulen kein Einzelphänomen mehr. Laut einer Umfrage von Statista aus dem Jahr 2021 geben 29 Prozent der Befragten an, dass sie an ihrem Arbeitsplatz Opfer von Mobbing geworden sind, weitere 17 Prozent haben Mobbing bei Kollegen oder Vorgesetzten miterlebt. Auch bei Kindern und Jugendlichen sowohl im Freizeit-, als auch im Schulkontext zeigen Studien, wie die Pisa Studie oder eine Umfrage von Unicef Deutschland von 2019, dass Mobbing in gehäufter Weise auftritt. So gaben 14 Prozent der Befragten an, Mobbing im Internet erfahren zu haben, 16 Prozent in der Freizeit und 30 Prozent in der Schule, bzw. auf dem Schulweg. Das sind die Zahlen. 

Das System Mobbing ist nicht leicht zu definieren. Man kann beim Mobbing von einer subtilen Art von Gewalt sprechen. Oftmals tritt es im Verborgenen und Geheimen zu Tage und seine Beweisbarkeit ist für den Gemobbten ein schwieriges Unterfangen, was seine Auswirkungen nochmals weitreichender macht, wird dem Leidtragenden in vielen Fällen nicht geglaubt und lässt ihn schließlich selbst an seiner Wahrheit zweifeln. 

Dennoch gibt es definierende Merkmale, die das Wesen von Mobbing charakterisieren sollen. Diese sind:

1. Die systematische Wiederholung destruktiver Handlungen. Hierzu gehören Beleidigungen, Rufschädigungen, eine bewusste Schädigungsabsicht, bis hin zu körperlichen Attacken. 

2. Eine personenzentrierte Zielgerichtetheit

3. Ein Machtgefälle, bzw. Kräfteungleichgewicht

4. Die Zeitdauer, über einen längeren Zeitraum geschehend

5. Eine Ausgrenzungs-, Isolationsabsicht

Strukturell lässt sich das Mobbingsystem als einen extremen Konflikt bezeichnen. Wobei es sich beim Mobbing um einen interpersonellen Konflikt handelt, im Gegensatz zum Burn-Out, dessen Konfliktebene sich intrapsychisch abspielt.

Der Gemobbte trägt eine belastende Auseinandersetzung mit dem Verursacher, bzw. den Verursachenden aus. Im Mobbingsystem gibt es demnach einen oder eine Gruppe, die sich bewusst dafür entscheidet, einen anderen Menschen im System zu schädigen und ihn emotional zu destabilisieren. Auslöser hierfür können das Anderssein des Gemobbten oder Neid und Eifersuchtsgefühle des Mobbers sein, aber auch Übertragungs- und Dominanzdynamiken spielen oftmals eine Rolle. Der Mobber schafft für sich ein System höchstmöglicher Berechenbarkeit, im reziproken Wirken befindet sich der Gemobbte durch diesen massiven Eingriff in einer existentiellen Krise. Seine bisher vertrauten Lebensumstände und sein bisheriges Umfeld sind plötzlich erschüttert und seine bisherigen sozialen Strukturen und Handlungsmuster gelten nicht mehr. Er befindet sich in einem Zustand völliger Unordnung und Destabilität. Seine kognitiven Fähigkeiten sind ausser Kraft gesetzt. 

Das System Mobbing ist zentralisiert gerichtet auf die Vernichtung eines Individuums. Hierbei ist zu verstehen, dass der Mensch all seine kognitiven, emotionalen und operativen Fähigkeiten und Handlungen grundsätzlich darauf ausrichtet, ein System auf Basis der systemischen Kernprinzipien Ordnung, Sicherheit bzw. Achtsamkeit und Zugehörigkeit zu generieren. Er ist von früher Kindheit an darauf bedacht, über seine kognitiven Anlagen seine Ich-Identität zu entwickeln und sich ein vorhersehbares und strukturiertes Umfeld zu schaffen. Wird dieser strukturierte  und weitestgehend berechenbare Raum durch beispielsweise ein inadäquates Verhalten der Bezugspersonen, eine Lebenskrise oder eben durch eine Mobbingerfahrung ins Wanken gebracht, werden seine kognitiven Fähigkeiten und früheren Handlungen zur Problembewältigung  gefährdet und der Mensch reagiert mit dem Erleben von bedrohlichen Emotionen wie existentieller Angst, Wut oder Trauer, die ihn psychisch und oftmals physisch aus dem Gleichgewicht bringen.

Holger Wyrwa unterteilt in dem von ihm entwickelten Modell (systemisch-existentielles Mobbing-Inventar) das System Mobbing in 3 Phasen, die akute Phase, die reflexive Phase und die existentielle Phase. Die Unterteilung in diese 3 Phasen, dienen als wertvoller Leitfaden in der Beratung für eine notwendige Strukturierung des Mobbinggeschehens, als Voraussetzung für die Stabilisierung des Gemobbten und dem Herausarbeiten von Zielen und Lösungsmöglichkeiten. 

Systemisches Coaching eignet sich in seinem Ansatz sehr gut zur Beratung einer Mobbingthematik, da es mit seinen systemischen Fragen zur Dekonstruktion und Präzisierung der Problematik und der damit verbundenen Ängste des Gemobbten verhilft, die Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration der Ist- Situation und den damit verbundenen Grenzen und Möglichkeiten, als Grundlage, Blockaden in der Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit des Gemobbten zu lösen und neue Lösungswege und Handlungsoptionen zu erarbeiten.

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Mobbing am Arbeitsplatz 

Der Fall Nadine B. *

Nadine B. war eine hochgewachsene schlanke Person, Ende zwanzig. Ihre Figur nicht athletisch, sondern fast knöchern, ließ sie in ihrem Erscheinen etwas ungelenk wirken. Ihre blonden Haare hatte sie zu einem lockeren Dutt hochgesteckt, zu jeder Seite fielen ihr ein paar Strähnen heraus. Sie hatte mir am Telefon erzählt, dass sie von ihrem Chef gemobbt wird, nachdem sie ihn zurückgewiesen hatte. Sie war vor einigen Wochen neu in die Agentur gekommen. Die Anstellung hatte sie durch ihren Chef bekommen, den sie als guten Bekannten aus vergangenen Zeiten bezeichnete. Sie war früh Mutter geworden und hatte wieder Lust gehabt zu arbeiten, wollte sich jedoch nicht auf dem freien Markt bewerben und hatte selbigen gefragt, ob er eine Stelle für sie hätte. Mit ihrer offenen, herzlichen Art konnte sie sich schnell in die Agentur und den dortigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eingliedern. Sie war bald ein fester Bestandteil der Agentur, beliebt und mit einigen Kollegen sehr vertraut. Dies missfiel einigen Kolleginnen, wie Nadine B. im Nachhinein von einer Kollegin, Marta, die ihr nach wie vor zur Seite steht, erfuhr. Mit ihrem Chef war das Verhältnis ebengleich sehr vertraut und die Gespräche gingen über ein Arbeitsverhältnis im normalen Sinne hinaus. Er machte Nadine B. zunehmend Komplimente, weniger über ihre Arbeitsleistung, sondern über ihr Erscheinungsbild. Die Komplimente erfuhren eine Steigerung und er machte ihr eindeutige Angebote auf körperlicher Ebene. Diese lehnte sie zunächst auf charmante Weise ab, indem sie versuchte, die Bemerkungen zu überhören. Als ihr Chef selbige mit Nachdruck und unmissverständlich platzierte, lehnte sie höflich ab. So kam es, dass ihr Chef sich in seinem Verhalten Nadine B. gegenüber plötzlich wie ausgewechselt zeigte. Er grüßte sie höflich, jedoch distanziert, wie Nadine B. beschrieb und ging, ohne ein weiteres Wort an sie zu richten, an ihr vorüber in sein Büro. Auch die anderen Kollegen wurden zunehmend reservierter. Nadine B. hatte mehr und mehr das Gefühl, alle in der Agentur würden hinter ihrem Rücken tuscheln. Als sie mit ihrer Kollegin Marta darüber sprach, erzählte sie ihr, dass in der Agentur das Gerücht erzählt wird, dass sie sich dem Chef aufgedrängt habe. Dieser würde behaupten, er habe einmal etwas mit ihr gehabt, was sich als Fehler herausgestellt habe, da er normalerweise Privates und Beruf strikt trenne, aber bei derartigen Avancen, sei auch er nur ein Mann. Nadine B. war ausser sich, welche Ungerechtigkeit ihr widerfahren war und sehr besorgt um ihren guten Ruf, zudem litt sie unter der Ablehnung ihrer Kollegen und Kolleginnen. Sie wollte, dass sich alles aufkläre und sich die Situation wieder wie früher darstellte. Hier stiegen wir in den Coachingprozess ein. 

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* Ich schreibe in meinen Blogbeiträgen Gedanken zu verschiedene Themen und schildere kurz einen zugehörigen Beispielfall. Alle Erzählungen dienen der Veranschaulichung des abstrakten Themas, wie es sich, als eine Möglichkeit, in der Realität zeigt. Jede Beschreibung der Geschichte meiner Klienten entspringt der Wirklichkeit und dennoch sind Namen und Handlung konstruiert, die notwendige Privatsphäre und Diskretion jedes einzelnen zu wahren. Die Hashtags zeigen eine Auswahl der Bereiche des Coachingprozesses auf.