Persönlichkeitscoaching – Entwicklungscoaching – Ängste

Der Mensch ist seit jeher verschiedenen Arten von Ängsten ausgesetzt und versucht ebenso lange gegen sie anzukämpfen. Obzwar Ängste scheinbar unabdingbar zum Dasein eines Menschen gehören, sind sie niemals ein guter Berater. 

In ihnen spiegeln sich unsere Defizite und Abhängigkeiten. Es sieht sich daher gut an, Fähigkeiten zu entwickeln und diese unseren Ängsten entgegenzustellen. 

Es ist die Wachsamkeit, die Vorsicht und die Achtsamkeit, die uns bewahren, uns in allzu waghalsigen und vielleicht nicht für uns bestimmten Situationen zu verlieren. Es ist die Erkenntnis und das Wissen, die uns Stärke und Zuversicht in unser Sein geben und es sind Vertrauen und Liebe, die sich gegen unsere Ängste erheben. 

Ein Handeln oder Nicht-Handeln aus einer Angst heraus, dem geht meist kein reflektierter Prozess voraus. Die Angst bringt ihrem Wesen nach entweder Lähmung oder Flucht hervor. Niemals jedoch ein Handeln oder Unterlassen aus der Reflexion mit wachem Verstand und offenem Herzen. 

Ängste zu überwinden, stellt einen wesentlichen Reifeschritt im Dasein eines Menschen dar. Das Verbleiben in den jeweiligen Ängsten hat ein kindlich, regressives Verhalten in diesen Bereichen zur Folge, das unweigerlich in Abhängigkeiten führt.

Der Psychologe Fritz Riemann teilt in seinem  Buch „Grundformen der Angst“, die Ängste in vier Grundformen ein: die Angst vor der Hingabe, die Angst vor der Selbstwerdung, die Angst vor der Vergänglichkeit, die Angst vor der Veränderung. Diese sollen im Folgenden kurz erläutert werden. Alle Ausprägungen der verschiedenen Ängste lassen sich im wesentlichen diesen Grundformen zuordnen.  

Die Angst vor der Hingabe bedeutet gleichsam Angst vor Nähe und die Angst, sich auf andere Menschen einzulassen. Psychologisch betrachtet leben diese Menschen ihre Selbstbewahrung in überwertigem Maße aus. Demzufolge gehen ihre Impulse dahin, höchstmöglich unabhängig und autark zu sein und niemand zu brauchen und auch niemandem verpflichtet zu sein. Nähe, oder sich auf sein Gegenüber einzulassen, wird von jenen Menschen als Bedrohung und Gefährdung ihrer Unabhängigkeit empfunden, weshalb sie sich allerlei Strategien und Schutzmechanismen einfallen lassen, sich dem zu entziehen. Sie versuchen menschliche Beziehungen eher zu versachlichen, da das Erleben von Gefühlen, wie Zuneigung oder Liebe als bedrohlich empfunden wird. Dementsprechend wirken solche Menschen gerade in Situationen der Nähe abweisend und gefühlskalt. Durch die Vermeidung inniger menschlicher Beziehungen entfremden sie sich zunehmend und es entsteht eine Unsicherheit im sozialen Bereich, da sie immer weniger vom Umgang mit ihrem Gegenüber zu wissen vermögen. Ihr Urteilsvermögen in mitmenschlichen Situationen schwindet und lässt daher ein überwachsames Misstrauen zu Tage treten. Menschen mit der Angst zur Hingabe fällt eine dauerhafte Beziehung schwer, sie bevorzugen Beziehungen, die zwar intensiv, aber häufig wechselnd sind. Gefühle, wie extreme Eifersucht und ein zerstörerisches Handeln sind oftmals charakteristisch. Hierbei kommt ihre Angst nicht liebenswert zu sein zum Ausdruck, einmal in Form eines möglichen Rivalen, der sicherlich der Bessere sein muss, zum anderen in dem Willen, zumindest der Handelnde zu bleiben, lieber zu zerstören, was doch nicht bleiben wird, um nicht leiden zu müssen. Die Persönlichkeitsentwicklung hin zu einer Angst vor Hingabe und Nähe begünstigen sowohl charakterliche, wie auch umweltbezogene Faktoren. Eine sensible und übergroße emphatische Empfindsamkeit als Anlage kann dazu führen, eine Distanz zur Umwelt als Schutzmechanismus für das eigene Selbst zu entwickeln. Gleichsam können Kinder, die sehr lebhaft in ihrem Wesen sind und oftmals als anstrengend oder störend empfunden wurden, ein übermässiges Ausleben der Ich- Abgrenzung entwickeln. Umfeld spezifische Faktoren, wie ein nicht-adäquates Verhalten, bzw. eine unregelmäßige Verfügbarkeit der Bezugspersonen oder ein unzureichendes Befriedigen der altersgemäßen Bedürfnisse des Kindes, können ebenfalls eine Entwicklung dahingehend begünstigen. Werden beispielsweise die Erwartungen der Eltern eines Kindes nicht erfüllt oder aber leidet die Mutter nach der Geburt an postnatalen Depressionen und kann den Bedürfnissen, insbesondere emotionale und körperliche Zuwendung,  des Kindes nicht ausreichend nachkommen, können diese Bedingungen als Auslöser einer solchen Persönlichkeitsentwicklung fungieren. 

Die zweite Grundform ist die Angst vor der Selbstwerdung, die auch als Verlustangst zu verstehen ist. Hierbei erlebt der jeweilige Mensch die Entwicklung zu einer eigenständigen Persönlichkeit gleichsam als das VerstoßenWerden aus einer sicheren Geborgenheit. Daher möchte er am liebsten sein Ich aufgeben und völlige Hingabe leben. Sich hinzugeben ist jedoch nur möglich in Bezug auf einen anderen Menschen, was bereits die Abhängigkeit des Konstrukts aufzeigt. Der Partner bekommt einen Überwert, um den sich das gesamte Universum eines Menschen mit Ich-Vermeidung dreht. Sie sind ganz und gar auf einen Partner angewiesen, zum einen, weil jene Menschen jemanden brauchen, um ihn zu lieben und zweitens, weil sie einen Partner brauchen, der sie liebt, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen, die sie nicht aus sich heraus erfüllen können. Aus diesem zwingenden Grund streben Menschen mit Verlustängsten danach, jegliche Distanz zwischen ihnen und dem Partner zu minimieren und wollen dem Partner so Nahe wie möglich sein, mit ihm verschmelzen. Demzufolge erlebt ein Mensch, je weniger Ich- Identität er besitzt, jede Trennung vom Partner als Angst, alleingelassen zu werden oder gar verlassen zu werden. Für ihn ist es essentiell den Partner fest an sich zu binden, was nicht selten zu einem kindlich-abhängigem Verhalten führt, sich schutzlos zu stellen, damit man nicht verlassen werden darf. Je weniger ein Mensch also seine Eigenständigkeit und sein Selbst entwickelt hat, umso bedürftiger ist er und benötigt andere. Hierbei ist anzumerken, dass die Ich-Aufgabe eines Menschen in Beziehungen auch dazu führen kann, dass derjenige seinem Partner ebengleich keine Selbstständigkeit zugesteht und ihn versucht, bewusst klein zu halten. Menschen ohne autonomes Sein suchen demnach die Abhängigkeit, die ihnen vermeintliche Sicherheit bieten soll, erleben diese Abhängigkeit jedoch gleichzeitig mit der Angst vor dem Verlust. 

Die Angst vor der Veränderung, auch erlebt als die Angst vor der Vergänglichkeit, ist die dritte Grundform der Angst. Das Streben nach Dauer und die Sehnsucht zu Bewahren ist tief im Wesen des Menschseins verankert. Menschen, die diesen Impuls in übergroßem Maße empfinden, erleben folglich eine Angst vor jeglicher Veränderung, da der Wandel ihnen die Vergänglichkeit des Bestehenden ins Bewusstsein rückt. Diese Angst zeigt sich umso stärker, je mehr man sich gegen sie absichern möchte. Auch diese Form der Angst wird meist durch Erlebtes in unserer Kindheit hervorgerufen. So geht dem Explorationsverhalten eines Kindes eine tiefe Vertrautheit, die über verlässliche und immer wiederkehrende Erlebnisse und Eindrücke in der Kindheit erlebt wurden, voraus und lassen das Kind eine gute Orientierung in der Welt entwickeln. Erlebt das Kind seine Welt als chaotisch und unzuverlässig, kann es diese Angst vor Vergänglichkeit als überwertig erleben. Diese Menschen werden in ausgeprägtem Maße versuchen, ihrem Streben nach Dauer und Sicherheit nachzukommen und versuchen, stets alles so zu belassen wie es ist, da Veränderungen jeglicher Art für sie mit Vergänglichkeit gleichzusetzen sind. Da sie ein übermäßiges Sicherungsbedürfnis haben, neigen sie dazu, Dinge zu verdrängen und sich zu kontrollieren, um jegliches Aufkeimen einer eventuell notwendigen Veränderungen zu vermeiden.

Die vierte und letzte Grundform der Angst ist die Angst vor der Notwendigkeit, auch empfunden als Angst vor Einschränkung der persönlichen Freiheit. Diese Angst ist das Gegenstück zur Angst vor Veränderung. Es entspricht gleichsam dem Wesen des Menschen, dem Neuen und Abenteuerlichen seinen Reiz abzugewinnen. Menschen, die das Risiko nicht scheuen, die ihre Zukunft mit allen Chancen und Möglichkeiten vor sich sehen und die Freiheit inhalieren, sich dem Wandel hingeben zu können, werden sich von moralischen und sozialen Gesetzmäßigkeiten, Traditionen und Einschränkungen eher bedroht fühlen. Diese Menschen können schwer in klarer Festigkeit, Ordnung und Verbindlichkeit leben, da sie sich hierin zu sehr eingeschränkt fühlen würden in ihrem Freiheitsdrang. Sie leben gerne in der Suche nach neuen Reizen und der schnellen Bedürfnisbefriedigung und versuchen natürliche Gesetzmäßigkeiten und mögliche Konsequenzen ihres Handels weitestgehend auszublenden. Sie versuchen sich die Realität gerne zurechtzubiegen. Die Angst vor der Notwendigkeit manifestiert sich meist im Kindesalter von 4-6 Jahren. In diesem Alter findet der Reifeprozess vom Kleinkind zu den ersten Schritten des Erwachsenwerdens statt. Hier lernt das Kind auf frühkindliche Verhaltensweisen zu verzichten und ein Verantwortungsbewusstsein und Vernunft zu entwickeln und Einsicht zu zeigen. In dieser Zeit ist die Reife und die Führung der Eltern besonders wichtig. Sie fungieren in dieser Zeit als Vorbilder,  mit denen sich das Kind identifizieren möchte und es ihm erstrebenswert erscheint, ihnen nachzueifern. Erlebt das Kind seine Umwelt und seine Bezugspersonen als chaotisch und nachlässig und wird kein altersgemäßes und charakterspezifisches Lernen und Fördern gewährleistet, fehlt es dem Kind an Orientierung und Halt und es wird keinen Sinn darin sehen, seine frühkindlichen Verhaltensweisen abzulegen. 

Zusammenfassend kann man sagen, dass Ängste immer ihre Geschichte haben. Die Wesenszüge eines Menschen können eine Entwicklung diverser Ängste begünstigen, jedoch sind die Verhaltensweisen der nahen Bezugspersonen in der Kindheit, sowie das soziale Umfeld ein tragender Faktor, wie Ängste entstehen können.  Grundsätzlich liegt im Annehmen und Überwinden der Ängste, die Chance zum Wachstum und die eigenen Fähigkeiten und das eigene Können auszubauen. Ängste können im Erwachsenenalter innerhalb eines Veränderungsprozesses durch eine Vielzahl von Interventionsmöglichkeiten bearbeitet werden, indem der Gegenpol zum überwertig gelebten Seins- Zustand entwickelt und gestärkt wird und durch ein ausbalanciertes Selbst, die Angst schwinden kann.

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Verlustangst 

Der Fall Franziska H. *

Es war ein Montagmorgen im Mai, der Himmel zeigte sich in strahlendem Blau und die Sonnenstrahlen schicken eine Wärme durch die weißen Sprossenfenster meines Arbeitszimmers, als wollten sie bereits den Beginn des Sommers verkünden. Als an diesem Morgen mein Telefon klingelte und Franziska H. mit zitternder Stimme anrief, die nicht zu diesem Tag passen wollte. Sie sagte, dass ihr Mann sie verlassen habe, endgültig, am gestrigen Tag. Sie verstehe nicht, wie er das habe tun können, wo sie ihn doch jetzt am Nötigsten brauchen würde. Wir vereinbarten einen Termin, zu dem sie, wie sie sagte, mit dem Fahrrad kommen würde, da sie nicht mehr Auto fahren möchte, aber jetzt niemanden mehr habe, der sie führe, die Praxis jedoch in annehmbarer Entfernung für sie läge. 

Es erschien eine dunkelhaarige Frau, mittlerer Größe, mit sportlicher Figur. Ihr Gesicht war kantig, mit schmalen Lippen und einer ganz geraden, spitz zulaufenden Nase. Ihre Haut war bleich und ihre geröteten Augen verrieten, dass sie in den letzten Tagen häufig geweint hatte. Sie wirkte erleichtert, angekommen zu sein und als sie ihre Jacke auszog und an die Garderobe hing, schien es, als würde ihr eine Last abfallen. Sie setzte sich auf das Sofa und begann zu erzählen. Sie erzählte von ihrer Beziehung zu ihrem Mann, den sie als junges Mädchen kennengelernt hatte und sich beide sofort ineinander verliebt hatten. Er war zehn Jahr älter als sie gewesen. Ein sehr gutaussehender Mann war er gewesen, und das wäre er auch heute noch, wie sie sagte. Sie hätten alles zusammen gemacht und ihre Beziehung sei sehr innig gewesen. Er habe die ein oder andere Affaire gehabt, aber nichts Ernstes und sie habe gut damit leben können. Er war immer liebevoll an ihrer Seite und habe sich immer gekümmert. Sie habe eine umfassende Krankengeschichte und er habe sie und die beiden Söhne in den Zeiten, wo sie unpässlich gewesen sei, rührend versorgt. Durch die viele Zeit im Bett habe sie Angst vor dem Autofahren bekommen und er habe sie zu ihren Arztterminen gefahren. Seine berufliche Stellung würde dies zulassen, sagte sie. Und nun habe er sie verlassen, sie habe gekämpft und ihm gedroht und ihm gesagt, dass sie unmöglich ohne ihn leben könne. Die Söhne wären aus dem Haus und sie wäre ganz allein und könne nirgends hinfahren. Und dennoch habe er sie verlassen, wie sie sagte. Hier stiegen wir in den Coachingprozess ein. 

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* Ich schreibe in meinen Blogbeiträgen Gedanken zu verschiedene Themen und schildere kurz einen zugehörigen Beispielfall. Alle Erzählungen dienen der Veranschaulichung des abstrakten Themas, wie es sich, als eine Möglichkeit, in der Realität zeigt. Jede Beschreibung der Geschichte meiner Klienten entspringt der Wirklichkeit und dennoch sind Namen und Handlung konstruiert, die notwendige Privatsphäre und Diskretion jedes einzelnen zu wahren. Die Hashtags zeigen eine Auswahl der Bereiche des Coachingprozesses auf.